Leitlinien
4. Leitsätze zur feministisch-parteilichen und systemischen Arbeit mit Mädchen* und jungen Frauen* bei IMMA e.V.
IMMA verpflichtet sich grundsätzlich dem Konzept der Intersektionalität und befindet sich in einem kontinuierlichen, nie abgeschlossenen Prozess der Bewusstseinsbildung in Bezug auf unterschiedliche Diskriminierungsformen, menschenverachtende Haltungen und Handlungen.
- Vor diesem Hintergrund bedeutet Parteilichkeit für IMMA als feministischer Trägerin der Mädchen*arbeit:
- Die Mädchen* und jungen Frauen* sind in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen, sozialen und kulturellen Zusammenhängen, körperlicher und seelischer Gesundheit sowie den daraus resultierenden Bedürfnissen Ausgangspunkt des professionellen Handelns.
- Die verschiedenen Erfahrungen, Interessen und Identitäten der Mädchen* und jungen Frauen* werden ernst genommen und vor dem Hintergrund ihrer Lebenswelten und –entwürfe verstanden und wertgeschätzt.
- Die Fachfrauen* begreifen die individuelle Situation der Mädchen* und jungen Frauen* im Kontext gesamtgesellschaftlicher Macht- und Ungleichheitsverhältnisse.
- Die Mädchen* und jungen Frauen* werden für die Entwicklung eigener Geschlechteridentitäten sensibilisiert und in ihrer Auseinandersetzung hiermit begleitet und unterstützt.
- Handlungen, Vorgehensweisen und Interventionen sind für die Mädchen* altersentsprechend transparent.
- Die Mädchen* und jungen Frauen* sind aktiv in den Prozess der Problemlösung einbezogen und werden bei der Nutzbarmachung ihrer Ressourcen unterstützt.
- Systemische Arbeit bedeutet für IMMA die Erweiterung der parteilichen Haltung um den Einbezug der Bezugssysteme des Mädchens*/der jungen Frau*. IMMA arbeitet für das Mädchen* als Unterstützerin und Mittlerin im System.
- Ausgangspunkt und Zielgruppe sind nach wie vor die Mädchen* und jungen Frauen*. Der Blickwinkel ist erweitert um deren Bezugssysteme. Darunter ist das gesamte Umfeld wie z.B. Schule, peer-group, Eltern, kulturelle Gemeinschaft, Familie, Helfer*innen-System gefasst.
- Die Auftragsklärung mit dem Mädchen* oder der jungen Frau* erfolgt je nach Einrichtung auch unter Einbezug von involvierten Institutionen und Personen (z.B. Jugendamt, Eltern, Schule, Jugendgerichtshilfe, Bezirk Oberbayern ...).
- Bei Handlungen der Fachfrauen* im System werden (minderjährige) Mädchen* über geplante Interventionsschritte informiert und mit einbezogen.
- Junge (volljährige) Frauen* werden in ihren Entscheidungsprozessen beraten, informiert und bei den einzelnen Handlungsschritten unterstützt.
- Systembedingte Grenzen der Handlungsfähigkeit werden mit dem Mädchen* oder der jungen Frau* besprochen und reflektiert.
- Die Fachfrauen* sind sich der Wechselwirkungen im System sowie ihrer Positionen im Spannungsfeld zwischen Mädchen*/ jungen Frauen* und Bezugssystemen bewusst. Um ein professionelles Arbeiten zu gewährleisten, werden diese kritisch reflektiert (z.B. im Team, SV, Fallbesprechungen). Die eigene Positionierung im System wird bei Bedarf angepasst.
- Mädchen* und junge Frauen* werden befähigt systemische Wirkmechanismen und deren Auswirkungen auf ihr eigenes Handeln zu erkennen und zu reflektieren.
- Bezugspersonen (z.B. Eltern, Lehrer*in, Fachkraft) werden im Rahmen der institutionellen Leistungen und Aufträge darin unterstützt, ihr Handeln sowie ihre Rolle im System zu reflektieren. Sie werden bei Bedarf an geeignete Hilfsangebote verwiesen.
- Je nach Einrichtung arbeiten grundsätzlich oder bei Bedarf zwei Fachfrauen* im System, die eine mit dem Mädchen*, die andere mit den Bezugspersonen. Die beiden Fachfrauen* stehen dazu im Austausch.
- Unsere Haltung ist bestimmt von Empathie gegenüber den Bezugspersonen. Gleichzeitig wird jedes Verhalten, welches das Mädchen* oder die junge Frau* in körperlicher, psychischer und emotionaler Weise beeinträchtigt und schädigt, als nicht tolerierbar benannt und ggf. Schritte zum Schutz des Mädchens* eingeleitet (bspw. Bei Kindeswohlgefährdung).
- Täter*innen im Bezugssystem begegnen wir mit einer professionellen Haltung. Wir beziehen dabei klar Position gegen Gewalt in jeglicher Form.
- Der systemische Ansatz ist als Beratungs- und Analyseinstrument in der Arbeit mit Mädchen* und jungen Frauen* nutzbar, auch wenn das Umfeld nicht direkt einbezogen werden kann oder soll.
Fazit: Das Zusammenwirken beider Ansätze –der parteilich-feministischen und der systemischen Arbeit – führt zu einer umfassenden, differenzierten Analyse der Gesamtsituation der Mädchen*/jungen Frauen*. Daraus resultierend ergeben sich wirkungsvolle und vielseitige Handlungsansätze und –schritte, die auch das Erleben von Selbstwirksamkeit ermöglichen.
Stand: August 2006, aktualisiert Februar 2022