Das bewegt IMMA

Positionierung von IMMA zum Thema Prostitution

Innerhalb der IMMA gab es eine Arbeitsgruppe, die sich mit Prostitution und sog. Sexarbeit beschäftigt hat. Ein Arbeitspapier war das Ergebnis, das als Diskussionsgrundlage für die IMMA-Mitarbeiterinnen* dient. Selten hat ein Thema so sehr für Kontroversen insbes. innerhalb der Frauen*bewegung gesorgt. Widersprüche aufzudecken und auszuhalten und damit umzugehen ist gerade beim Thema Prostitution unumgänglich. In der Diskussion sind wir immer wieder dazu gekommen, dass Differenzierung und ein Sowohl-als-auch nötig sind, um den Frauen* gerecht zu werden.

  1. Aus unserer feministisch-politischen Grundhaltung heraus verurteilen wir aufs Schärfste die Tatsache, dass Frauen* käuflich sein können und als Ware gehandelt werden. Gleichzeitig müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Prostitution existiert und sich auch durch Verbote und Strafen nicht unterbinden wird lassen. Allein die Begriffe Prostitution und Sexarbeit machen zu Grunde liegende Annahmen deutlich. Sexarbeit betont die freie Entscheidung der Frau*, dieser sog. Tätigkeit nachzugehen. Nichts desto trotz ist Prostitution immer im Kontext von patriarchalen Strukturen zu sehen. Zumeist kaufen Männer* die sexuellen Dienstleistungen von Frauen* ein. Der Anteil derer, die der Prostitution nachgehen ist zu 90% weiblich. Sexualität ist als soziales Geschehen immer eingebettet in Macht- und Geschlechterverhältnisse und ist nicht neutral zu sehen. Machtmissbrauch in der Prostitution ist an der Tagesordnung. Die Frage, ob und inwieweit Frauen* freiwillig oder erzwungen der Prostitution nachgehen, ist nicht klar zu beantworten. Dies ist immer zum einen individuell, zum anderen immer auch unter den strukturellen Gegebenheiten (siehe Punkt 3) zu beleuchten.
  2. Generell fordern wir, dass alle Frauen* und Mädchen* die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Frauen*, die sich prostituieren brauchen Unterstützung in jede Richtung, sei es Hilfe beim Ausstieg, bei der Verbesserung ihrer Lebenssituation oder auch in ihrer Situation in der Prostitution/ Sexarbeit. Sie brauchen auch rechtssichere Räume und Arbeitsbedingungen, die sie vor Gewalt und Ausbeutung schützen.
  3. Es existieren viele Faktoren, die Frauen* in die Prostitution treiben können. Armut, Abhängigkeiten, mangelnde Ausbildung, mangelnder Zugang zu Ressourcen, Vulnerabilität durch Gewalterfahrungen, Flucht, Sprachbarrieren, Notlagen etc. Es gibt auch Frauen*, die sich für ihr Empfinden autonom für Sexarbeit (und hier verwenden wir bewusst diesen Begriff) entscheiden und sich diese Perspektive nicht nehmen lassen wollen, z.B. Sexarbeit mit Menschen mit Behinderungen. Auch dies ist zu respektieren, ohne diese Frauen* zu verurteilen oder abzuwerten.
  4. Die Prostitution von Minderjährigen ist zu verbieten. Männer, die „sexuelle Dienstleistungen“ von Minderjährigen erkaufen, sollten sich strafrechtlich verantworten müssen. Hier sollte ein Mindestalter von 21 Jahren zum Schutze der jungen Frauen* rechtlich verankert werden. Prostitution von Minderjährigen stellt eine massive Kindeswohlgefährdung dar. Auch junge volljährige Frauen* sind häufig in einer Phase der Persönlichkeitsentwicklung, die noch labil und nicht ausgereift ist.
  5. Zwangsprostitution, Menschenhandel, jegliche Form von Gewalt, Unterdrückung, Ausnutzung von Lebensverhältnissen, die Frauen* in Prostitution drängen, Prostitution von Kindern und jungen Frauen* bis 21 Jahren sind zu verbieten. Gesetze allein reichen nicht, es ist auf unterschiedlichen Ebenen gesamtgesellschaftlich dagegen vorzugehen.
  6. Ein Verbot wie im „nordischen Modell“ ist insofern gut, weil es klar macht, dass Frauen* nicht käuflich zu erwerben sind, es hat eine normative Signalwirkung und bestraft die Freier als Täter. Aber es kann für die Prostituierten selbst von Nachteil sein, wenn diese völlig alleine gelassen werden und in eine gefährliche Unsichtbarkeit abgeschoben werden. Die Bedingungen, innerhalb derer sie der Prostitution nachgehen, verschlechtern sich dann noch mehr.
  7. Prostitution als gesellschaftliches Thema ist zu trennen von den Prostituierten, also den betroffenen Frauen*, die sich in unterschiedlichen Situationen in Bezug auf die Prostitution befinden und daraus resultierend unterschiedliche Unterstützung brauchen. Mit einem Verbot der Prostitution ist diesen Frauen* nicht geholfen.
  8. Wir fordern gesellschaftliche Kampagnen, die das Kaufen von Frauen* ächten, die Prostitution in den Kontext der Macht- und gewaltfördernden Geschlechterverhältnisse stellen. Wir fordern Programme gegen Armut von Frauen*, damit sie nicht gezwungen sind, sich zu verkaufen. Wir fordern mehr internationale Anstrengungen, damit die kriminellen Netzwerke der Frauenhändler aufgedeckt und zerschlagen werden sowie die Aufstockung der Ressourcen bei Polizei und Justiz. Würden diese Täter mit hohen Strafen belegt, hätte dies auch eine Wirkung auf andere. Wir fordern mehr Ausstiegsberatung und konkrete finanzielle Unterstützungen als Überbrückung bis ein anderer Beruf erlernt und damit ein eigenständiges Einkommen erzielt werden kann. Wir fordern akzeptierende Unterstützungsangebote für die, die der Prostitution/Sexarbeit nachgehen.