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Vorläufige Bilanz der Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*“

5. Oktober 2022

Vorläufige Bilanz der Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*“

Deutlich mehr Wiesnbesucherinnen suchen Hilfe

Der Trend der ersten Wiesnwoche setzt sich bis zum Ende des Oktoberfestes klar fort:

43 Prozent mehr Wiesnbesucherinnen als noch 2019 suchten Hilfe und Unterstützung am Safe Space der Aktion. Insgesamt kamen 426 Frauen* und Mädchen* mit den verschiedensten Anliegen in die Anlaufstelle (2019: 299 Personen). 40 von ihnen waren von sexueller oder körperlicher Gewalt auf der Festwiese betroffen.

Am stärksten frequentiert war dabei das mittlere Wiesnwochenende: Am Freitag, 23.09. half das Team vor Ort insg. 68 Besucherinnen, am darauffolgenden Samstag weiteren 60.

Die gestiegene Nachfrage führen die Organisatorinnen AMYNA e.V., IMMA e.V. und die Beratungsstelle Frauennotruf München vor allem auf die intensive Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit im Vorfeld und während der Wiesn zurück. Auch zahlreiche Berichte in regionalen und überregionalen Medien haben den Bekanntheitsgrad des Angebots weiter erhöht. Hinzu kommt die äußerst gelungenen Kooperationen mit den verschiedenen Organisationen, Diensten und Behörden vor Ort, die erneut zahlreiche Hilfesuchende an den Safe Space vermittelten.

Beratungsanlass (sexuelle) Gewalt

Insgesamt 30 Mädchen* und Frauen* suchten heuer Hilfe am Safe Space, weil sie auf dem Festgelände sexualisierte Gewalt erlebt hatten. Diese reichte von Grapschereien, „Upskirting“ und unerwünschten Küssen bis hin zu schweren sexuellen Übergriffen. Hinzu kam in 10 Fällen auch körperliche Gewalt, die Besucherinnen erleben mussten.

Gerade in diesen Fällen waren die Mitarbeiterinnen am Safe Space besonders gefordert. Nach einer ersten Klärung der Situation, ging es vor allem um eine individuelle Versorgung, Stabilisierung und Beratung, und anschließend um die Organisation eines sicheren Schlafplatzes und Heimwegs sowie um professionelle Nachsorgemöglichkeiten.

Zeitintensiv waren außerdem 32 Fälle, in denen andere psychische Krisen Auslöser für den Beratungskontakt waren. Hierbei handelte es sich zum Beispiel um erlebte sexuelle Gewalt in der Vergangenheit, sexuellen Missbrauch in der Kindheit oder psychiatrische Vorerkrankungen.

Unterstützung bei einem sicheren Heimweg

Neben den bereits genannten Gründen, gab es zahlreiche weitere Anlässe, Hilfe am Safe Space zu suchen. Oftmals stand auch dieses Jahr die Sicherung des Heimwegs im Vordergrund. 130 Besucherinnen suchten die Anlaufstelle auf, da sie ihre Freund*innen, Partner*innen oder die Reisegruppe verloren hatten, weitere 21 vermissten wichtige Wertgegenstände (wie Mobiltelefon, Portemonnaie, Ausweisdokumente etc.), die nötig waren, um sicher nach Hause oder ins Hotel zu kommen. Das Team unterstützte die Besucherinnen mit verschiedenen Maßnahmen dabei, die verlorenen Personen, Wertgegenstände oder die Adresse des Hotels etc. wieder zu finden. Außerdem organisierten die Mitarbeiterinnen für die Klientinnen einen sicheren Nachhauseweg z.B. durch Begleitungen, Ausleihe von Geld und Kleidung oder Fahrdienste. Dank des Münchner Taxiunternehmens IsarFunk konnten zahlreiche Frauen* sicher und kostenfrei nach Hause gelangen. An viele weitere Frauen* konnten die sogenannten Frauen-Nacht-Taxi-Gutscheinen des Kreisverwaltungsreferats für einen sicheren Heimweg ausgegeben werden.

27 Mädchen* und Frauen* benötigten Hilfe aufgrund von Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch. In 6 Fällen bestand der Verdacht auf die unwissentliche Einnahme von K.O.- Tropfen.

169 weitere Oktoberfestbesucherinnen kamen aus anderen, „sonstigen“ Gründen zum Safe Space. Manche fühlten sich überfordert von der Größe der Veranstaltung, dem Lärm und den Menschenmengen. Andere hatten beispielsweise Gewalt als Außenstehende miterlebt und benötigten Unterstützung. Wieder andere waren Freundinnen*/Angehörige von Personen, die in der Aicher Ambulanz behandelt wurden und in teils großer Sorge um die jeweilige Person.

Insgesamt leistete das Team 1.009 Hilfeleistungen in 426 Fällen.


Vor allem junge Münchnerinnen suchen Hilfe

Auffällig ist, dass sich heuer vor allem Mädchen* und Frauen* aus München und dem Landkreis an die Anlaufstelle wandten. Sie machten rund 45 Prozent aller Hilfesuchenden aus. Touristinnen aus dem Ausland, die in der Vergangenheit meist etwa die Hälfte aller Klientinnen stellten, waren dieses Jahr zu nur 28 Prozent vertreten. Die übrigen Hilfesuchenden stammten aus anderen Teilen Deutschlands.

Etwa 80 Prozent der Klientinnen war unter 30 Jahre alt, die älteste Frau* war 70, das jüngste Mädchen* 14 Jahre alt.

Erfreulich ist, dass auch in der zweiten Wiesnwoche weiterhin zahlreiche Klientinnen selbstständig zum Safe Space kamen, um dort Unterstützung zu erhalten. Mit insg. 192 Personen macht diese Gruppe etwa 45 Prozent aus. Die Besucherinnen hatten über die Öffentlichkeitsarbeit der Aktion, über Social Media oder über die Medien von der Anlaufstelle erfahren und nutzten diese proaktiv.

In weiteren 39 Fällen wurden Mädchen* und Frauen* von aufmerksamen Wiesnbesucher*innen zum Safe Space begleitet. Zahlreiche weitere Klientinnen wurden z.B. über die Wiesnwache (58x), über die Aicher Ambulanz (57x) und über andere Mitarbeiter*innen des Oktoberfestes (wie Wirt*innen, Securities, Bedienungen etc.) an den Safe Space vermittelt (43x).

An dieser Stelle möchte sich das Team ganz herzlich für die erneut großartige Zusammenarbeit mit den verschiedenen Organisationen, Diensten und Behörden sowie zahlreichen engagierten Einzelpersonen bedanken, die die Arbeit der Aktion und die Hilfe für Mädchen* und Frauen* unterstützen.

Eine gemeinsame Aktion von AMYNA e.V., IMMA e.V. und der Beratungsstelle Frauennotruf München.

Unterstützt wird die Aktion von der Landeshauptstadt München, dem Landratsamt München, der Münchner Wiesn-Stiftung und zahlreichen weiteren Spender*innen.

* Der Safe Space ist für alle Personen offen, die sich als Frauen identifizieren. Der Genderstern steht für die Vielfalt von Weiblichkeit. Non-binäre Menschen, die sich angesprochen fühlen, sind willkommen.