Leitlinien

7. Standards zur Arbeit mit lesbischen und bisexuellen Mädchen* und jungen Frauen* von IMMA e.V.

1. Präambel oder Warum setzt sich IMMA für lesbische Mädchen* ein?

In den vergangenen Jahren hat sich einiges zum Positiven für lesbische/bisexuelle Mädchen* und Frauen* verändert, z.B. mehr öffentliche Präsenz, Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, mehr spezifische Angebote und Möglichkeiten der digitalen Vernetzung.

Trotzdem ist lesbisches Leben auch heute noch stark von Diskriminierung geprägt. In einer Studie der Landeshauptstadt München aus dem Jahr 2004 gaben mehr als 80% der Befragten an, aufgrund ihrer Homosexualität schon einmal Diskriminierungen erlebt zu haben. Besonders häufig wurden dabei Beschimpfungen und Verächtlichmachungen (61%) genannt, aber auch psychischen Druck in Form von Einschüchterung, Bedrohung und Psychoterror (40%) sowie Ablehnung in der Familie (40%) und im Freundeskreis (50%) haben viele Lesben erfahren. Immerhin 12% sind auch schon Opfer von körperlicher Gewalt geworden. Und fast zwei Drittel kennen Situationen, in denen sie aus Angst vor den Konsequenzen nicht als Lesben erkannt werden möchten. Bei diesen Zahlen wundert man sich nicht, dass laut einer Berliner Studie der Senatsverwaltung für Jugend, Schule und Sport das Suizidrisiko bei homosexuellen Jugendlichen 4x höher ist als bei heterosexuellen Jugendlichen. Diese Untersuchung wird 2011 neu belegt durch eine groß angelegte Befragung der Columbia University Oregon, USA. Viele lesbische Mädchen* haben als Folge der Belastung Probleme mit Alkohol und Drogen, reagieren mit einer Essstörung oder fügen sich Selbstverletzungen zu. Hintergrund dafür ist meist die große Einsamkeit, das Fehlen von Ansprechpartnerinnen im Coming-Out-Prozess. Bei der Ende 2010 durchgeführten „Befragung von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe zur Situation von lesbischen, schwulen und transgender Kindern, Jugendlichen und Eltern in München“ gaben 86% der Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe an, dass das Thema sexuelle Identität als mögliche Ursache von Problemen junger Menschen nicht mitgedacht wird und von daher fachlich nicht gut verankert ist. Jugendtypischen Orten wie Schulen und Jugendtreffs wird mit 90% ein unfreundliches soziales Klima für lesbische und schwule Jugendliche attestiert. Außerdem halten 80% der Fachkräfte Fortbildungen zu dem Themenkomplex für notwendig, da spezifisches Fachwissen nicht ausreichend vorhanden ist. Deshalb lautet der Untertitel dieser Erhebung: „Da bleibt noch viel zu tun ….“

Deshalb: IMMA unterstützt aktiv lesbische und bisexuelle Mädchen* und junge Frauen*!

IMMA hat eine lange Tradition und viel Erfahrung in der Arbeit mit lesbischen und bisexuellen Mädchen* und jungen Frauen*. Seit unserer Gründung 1985 sind wir für diese ein Gegenüber bei allen Fragen zu sexueller Identität und sexueller Orientierung. IMMA fördert dabei vielfältige Lebensentwürfe von Mädchen* und jungen Frauen* und unterstützt sie, ihren individuellen Weg zu finden. Wir stehen dafür, lesbisches Leben in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen und die Gleichstellung von lesbischen Frauen in der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Ziel dabei ist, aktiv gegen jede Form von Gewalt gegenüber Lesben Stellung zu beziehen und den Blick dafür zu schärfen, in welchen Bereichen weiterhin gesellschaftliche Zuschreibungen, Stereotypen und Klischees über Lesben existieren, diese zu hinterfragen und Alternativen anzubieten. Aber das wichtigste Signal für die Mädchen* ist: „Wir sind für Dich da!“

2. Pädagogischer Umgang

„Wir sind für dich da“

  • Die IMMA-Fachfrauen* unterstützen den ComingOut-Prozess der jungen Frau*.
  • IMMA bietet ein spezifisches Angebot für junge Lesben: JuLeZ ist ein offener Treff für lesbische/bisexuelle Mädchen* und junge Frauen*.
  • IMMA ist parteilich für lesbische Mädchen* und junge Frauen*, dazu beziehen die Fachfrauen* Position gegen homophobe Äußerungen und für eine positive Darstellung von lesbischem Leben.
  • IMMA-Mitarbeiterinnen sind für das lesbische Thema sensibilisiert und können damit den Mädchen* und jungen Frauen* einen offenen Rahmen für ein mögliches ComingOut schaffen.
  • Zur Unterstützung der Zielgruppe in ihrem Bezugssystem bietet IMMA eine Vielfalt von Angeboten. Eltern, Lehrkräfte und Betreuungspersonen finden hier Ansprechpartnerinnen, bei denen sie mit allen Fragen und Schwierigkeiten willkommen sind.

„Du bist nicht allein“

  • IMMA-Fachfrauen* sind soziale Angebote und die Szene für Lesben in München bekannt. Sie haben sich ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt und können damit den Mädchen*/jungen Frauen* einen sicheren Umgang mit deren sexueller Orientierung vermitteln.
  • Für die pädagogische Arbeit ist IMMA mit anderen Einrichtungen für Lesben vernetzt.
  • Die Vernetzung stellt sicher, dass junge Lesben zielgerichtet an andere Angebote weitervermittelt werden können.

„Du bist in Ordnung, so wie du bist“

  • Lesbisches Leben wird in der pädagogischen Arbeit in seiner Vielfalt dargestellt.
  • IMMA trägt zur Sichtbarkeit lesbischen Lebens bei. Dazu benennen die Mitarbeiterinnen selbstverständlich unterschiedliche Lebensformen, Beziehungsformen und sexuelle Identitäten in ihrer pädagogischen Arbeit.
  • IMMA-Mitarbeiterinnen drängen nicht zur Öffnung – die jungen Frauen* selbst entscheiden darüber, ob und wie schnell sie sich „outen“ wollen.

3. Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung

  • Die Öffentlichkeitsarbeit von IMMA achtet bei der Gestaltung ihrer Materialien und Flyer darauf, dass sich lesbische/bisexuelle Mädchen* und junge Frauen angesprochen fühlen. Im Jahresbericht der IMMA wird lesbisches Leben sichtbar gemacht.
  • Auf unserer Website www.imma.de werden lesbische/bisexuelle Mädchen* und junge Frauen* explizit als Zielgruppe benannt und Informationen zum lesbischen Leben bereitgestellt. Durch verschiedene Angebote der IMMA wird die Zielgruppe direkt angesprochen.
  • Die Ausgestaltung der Arbeitsräume lässt erkennen, dass wir uns an diese Zielgruppe adressieren: die Angesprochenen können sich bei IMMA wohlfühlen und sind sicher vor Diskriminierung. So werden beispielsweise im Eingangsbereich der Einrichtungen Bilder und Symbole lesbischen bzw. homosexuellen Lebens dargestellt.
  • IMMA Mitarbeiterinnen zeigen Präsenz bei Veranstaltungen zu lesbischen Themen, wie beispielsweise Christopher-Street-Day, Lesbisches Angertorstraßenfest, Pride-Week-Veranstaltungen, Ehrungen und Empfänge im Rathaus und Fortbildungen.
  • IMMA beteiligt sich an Aktionen gegen Homophobie und für die Sichtbarkeit lesbischen Lebens.
  • IMMA bietet regelmäßig Fortbildungen für die Fachöffentlichkeit zum Thema lesbische und bisexuelle Jugendliche an.

Vernetzung

  • Wir arbeiten mit anderen Fachstellen zusammen und führen Projekte in Kooperationen durch.
  • IMMA ist regelmäßige Teilnehmerin des Gremiums „Runder Tisch zur Gleichstellung von Lesben und Schwulen“, das von der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen geleitet wird.
  • Wir nehmen an Vernetzungstreffen zur lesbisch-schwulen Jugendarbeit teil.
  • Es besteht eine intensive Zusammenarbeit mit dem LesBiSchwulen Jugendzentrum von diversity e.V. und LeTRa Lesbenberatungsstelle München.

4. Personal

  • Alle Mitarbeiterinnen bei IMMA identifizieren sich mit der lesbischen Mädchen*arbeit, bewerten diese als wichtigen Teil ihrer Arbeit und stehen den Mädchen* und jungen Frauen* als Ansprechpartnerinnen bei Fragen zu sexueller Identität und sexueller Orientierung zur Verfügung.
  • Die Informationsvermittlung über lesbisches Leben, den Coming-Out-Prozess und mögliche, damit verbundene Schwierigkeiten und Informationen über Angebote für lesbische/bisexuelle Mädchen* und junge Frauen* sind Teil der Einarbeitung für neue Mitarbeiterinnen.
  • Über die Einarbeitung hinaus setzen wir uns in den Teams fortlaufend mit der Thematik auseinander, um einen sensiblen Umgang sicher zu stellen und unsere eigene Haltung zu reflektieren.
  • Vielfältige und unterschiedliche Lebensentwürfe bei uns als Mitarbeiterinnen stellen eine große Bereicherung für unsere Zusammenarbeit dar. Außerdem können sie als eine wichtige Orientierungshilfe und als Rollenmodell für Mädchen* und junge Frauen* dienen. Aus diesem Grund begrüßen wir es sehr, aktuell und auch in Zukunft lesbische und bisexuelle Mitarbeiterinnen zu haben.


Wir wissen um die besondere Lebenssituation von Transgender Jugendlichen und befinden uns in einem internen Diskussionsprozess dazu.

------

Diese Standards wurden 2011 in einer Arbeitsgruppe aus Mitarbeiterinnen einrichtungsübergreifend entwickelt und in der Leitungsrunde am 31.1.2012 abgestimmt.

  • Maria Baumann, Flexible Hilfen stationär
  • Sophie Bock, Flexible Hilfen ambulant
  • Steph Braun, Zora
  • Birgit Hermann, Beratungsstelle
  • Tina Pirman, Zufluchtstelle
  • Sabine Wieninger, Fachleitung


Quellen: