Leitlinien
3. Schutzkonzept von IMMA e.V.
I. Präambel
Seit ihrer Gründung im Jahr 1985 hat sich IMMA e.V. für den Schutz vor Gewalt an Mädchen* und jungen Frauen* eingesetzt. Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass Gewalt jeglicher Art die Lebens- und Entwicklungsgrundlage von Kindern und Jugendlichen nachhaltig verändert und somit ihrer Seele und ihrem Körper großen Schaden zufügen kann. Mädchen* und junge Frauen* sind aufgrund der Geschlechterhierarchie mehr von Gewalt und sexuellen Übergriffen insbesondere in der Familie und in Beziehungen betroffen als Jungen*. Der Fokus von IMMA ist, dass Mädchen* und junge Frauen* einen umfassenden Anspruch auf Sicherheit, Schutz, besondere Fürsorge und Unterstützung haben. Das Leitbild von IMMA legt das Eintreten für ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben für Mädchen* und junge Frauen* als zentrale Vision fest.
Im Zuge der stetigen fachlichen Weiterentwicklung hat IMMA das vorliegende Schutzkonzept verfasst. Es soll das Recht der Mädchen* und jungen Frauen* auf eine gewaltfreie Erziehung und Unterstützung in einem institutionellen geschützten Rahmen gewährleistet werden. Der Schutz des Kindeswohls ist ein Merkmal sowie Bestandteil des Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrages aller Einrichtungen von IMMA. Deshalb haben die Mitarbeiterinnen* eine besondere Verantwortung, jegliche Form von Gewalt in den Räumen der IMMA bzw. im Rahmen der Betreuung/Beratung zu thematisieren. Die Arbeit an der Beendigung der Gewalt hat oberste Priorität.
Des Weiteren wollen wir mit dem Schutzkonzept den Mitarbeiterinnen* - soweit es möglich ist - Orientierung und Handlungssicherheit geben. Wir wollen vermitteln, dass der Umgang mit Nähe und Distanz, mit Sexualität, mit dem Austesten der jungen Menschen ihrer Wirkung und Grenzen Bestandteile der pädagogischen (Beziehungs-) Arbeit sind. Dass die Mitarbeiterinnen Grenzverletzung aufmerksam wahrnehmen und in der Einrichtung ein Klima der Offenheit besteht – im Sinne von „Besprechen-können“ von uneindeutigen oder sexuell gefärbten Situationen - ist auch ein Ziel der Arbeit an diesem Konzept. Reflexions- und Gesprächsbereitschaft müssen aktiv praktiziert werden, damit Prävention und Intervention von Gewalt in der Einrichtung tatsächlich gelebt werden können. Das vorliegende Konzept ist ein Rahmenkonzept für die gesamte IMMA und deren Einrichtungen unabhängig davon, ob es sich um ein stationäres oder ambulantes Angebot handelt. Dieses Rahmenkonzept wird ergänzt um einrichtungsspezifische Schutzkonzepte. Dort werden auch mögliche Gelegenheitsstrukturen sowie die Themen Medienpädagogik, Suchtprävention und Opferschutz auf die Angebote der Einrichtung bezogen aufgezeigt und beschrieben.
Um dieses übergreifende Schutzkonzept mit Leben zu füllen, wird es in regelmäßigen Abständen (ca. alle 5 Jahre) überprüft und bei Bedarf aktualisiert.
II. Rechtliche Grundlagen
„Von Gewalt wird dann gesprochen, wenn einem Menschen gegen dessen Willen ein Verhalten oder Tun aufgezwungen wird: bis hin zur physischen Überwältigung oder gar Vernichtung.“[1]
Im soziologischen Sinn ist Gewalt eine Quelle der Macht. Im engeren Sinn wird darunter häufig eine illegitime Ausübung von Zwang auf mehreren Ebenen verstanden.
Auf der persönlichen Ebene wird der Wille dessen, über den Gewalt ausgeübt wird, missachtet oder gebrochen. Auf der Handlungsebene werden die verschiedenen Formen von Gewalt angedroht oder ausgeübt. Formen von Gewalt sind:
- Psychische Gewalt
- Physische Gewalt
- Sexuelle Gewalt
- Digitale Gewalt
Gewalttätige Handlungen und Grenzverletzungen können sowohl auf eine einzelne Person oder mehrere Personen ausgerichtet sein, als auch von einer oder mehreren Personen ausgehen. Auf der Beziehungsebene werden die Abhängigkeit und das Vertrauen des Kindes/Jugendlichen ausgenutzt.
„Sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt sind Handlungen vor oder an Kindern und Jugendlichen, bei denen der Täter oder die Täterin eine Macht- oder Autoritätsposition ausnutzt, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Sexueller Missbrauch / Gewalt umfasst ein breites Spektrum einmaliger oder wiederholter sexueller Handlungen ohne Körperkontakt bis hin zu invasiver, penetrierender Gewalt.“[2]
Wesentlich für die Wahrnehmung von Gewalt ist eine Sensibilität dafür, wo Gewalt beginnt.
Speziell sexuelle Gewalt ist häufig gekennzeichnet durch:
- Nicht nur sexuelle Handlungen, sondern auch durch eine sexuell aufgeladene Atmosphäre
- Mangelndes Einfühlungsvermögen in das Mädchen*/die junge Frau*
- Verstrickung des Mädchens*/der jungen Frau* in Rechtfertigungsstrategien von Täter*innen
- Das Gebot der Geheimhaltung durch den/die Täter*innen
- Geplantes Handeln der Täter*innen
- Immer wiederkehrende Taten
[1] Wörterbuch der Sozialen Arbeit von (Hgb.) Dieter Kreft Seite 382, Juventa Verlag Weinheim München 2005
[1] Heynen, Susanne in Wörterbuch der Sozialen Arbeit von (Hgb.) Ehlert, Funkt, Stecklin Seite 373, Juventa Verlag Weinheim München 2011
III. Definition von Gewalt
„Von Gewalt wird dann gesprochen, wenn einem Menschen gegen dessen Willen ein Verhalten oder Tun aufgezwungen wird: bis hin zur physischen Überwältigung oder gar Vernichtung.“[1]
Im soziologischen Sinn ist Gewalt eine Quelle der Macht. Im engeren Sinn wird darunter häufig eine illegitime Ausübung von Zwang auf mehreren Ebenen verstanden.
Auf der persönlichen Ebene wird der Wille dessen, über den Gewalt ausgeübt wird, missachtet oder gebrochen. Auf der Handlungsebene werden die verschiedenen Formen von Gewalt angedroht oder ausgeübt. Formen von Gewalt sind:
- Psychische Gewalt
- Physische Gewalt
- Sexuelle Gewalt
- Digitale Gewalt
Gewalttätige Handlungen und Grenzverletzungen können sowohl auf eine einzelne Person oder mehrere Personen ausgerichtet sein, als auch von einer oder mehreren Personen ausgehen. Auf der Beziehungsebene werden die Abhängigkeit und das Vertrauen des Kindes/Jugendlichen ausgenutzt.
„Sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt sind Handlungen vor oder an Kindern und Jugendlichen, bei denen der Täter oder die Täterin eine Macht- oder Autoritätsposition ausnutzt, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Sexueller Missbrauch / Gewalt umfasst ein breites Spektrum einmaliger oder wiederholter sexueller Handlungen ohne Körperkontakt bis hin zu invasiver, penetrierender Gewalt.“[2]
Wesentlich für die Wahrnehmung von Gewalt ist eine Sensibilität dafür, wo Gewalt beginnt.
Speziell sexuelle Gewalt ist häufig gekennzeichnet durch:
- Nicht nur sexuelle Handlungen, sondern auch durch eine sexuell aufgeladene Atmosphäre
- Mangelndes Einfühlungsvermögen in das Mädchen*/die junge Frau*
- Verstrickung des Mädchens*/der jungen Frau* in Rechtfertigungsstrategien von Täter*innen
- Das Gebot der Geheimhaltung durch den/die Täter*innen
- Geplantes Handeln der Täter*innen
- Immer wiederkehrende Taten
[1] Wörterbuch der Sozialen Arbeit von (Hgb.) Dieter Kreft Seite 382, Juventa Verlag Weinheim München 2005
[2] Heynen, Susanne in Wörterbuch der Sozialen Arbeit von (Hgb.) Ehlert, Funkt, Stecklin Seite 373, Juventa Verlag Weinheim München 2011
IV. Zielgruppen
Die Zielgruppe von IMMA sind Mädchen* und (junge) Frauen*, die den verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt sind oder waren, sei es Gewalt im familiären Kontext, im sozialen Nahraum oder durch Dritte.
Dazu gehören auch alle geschlechtsspezifischen Formen von Gewalt, wie z.B. weibliche Genitalbeschneidung, Zwangsverheiratung, Gewalt „im Namen der Ehre“, Frauenhandel, Zwangsprostitution. Die Aufzählung ist nicht abschließend.
Wenn es sich um wiederholt erlebte Gewalthandlungen handelt, kann zum einen die kindliche Entwicklung massiv gestört sein. Zum anderen kann die Herausbildung der Ich-Funktionen und der Schutzmechanismen stark beeinträchtigt werden. Dies führt dazu, dass eine hohe Vulnerabilität auf Grund einer geringeren Widerstandsfähigkeit entsteht, was oft darin mündet, dass es im Laufe der Biografie zu weiteren Grenzüberschreitungen kommt.
Auch Eltern, Kinder, Angehörige und weitere Bezugspersonen aus dem Umfeld, die für die Mädchen* und junge Frauen* bedeutsam sind, gehören zur Zielgruppe von IMMA.
V. Institutionelle Strukturen und Regeln
Bereits 2008 hat IMMA unter Einbezug ihrer Mitarbeiterinnen* Leitsätze und Standards entwickelt. Diese Leitsätze und Standards sind als gemeinsame Grundlage der unterschiedlichen Arbeitsfelder von IMMA e.V. zu verstehen. Sie bieten Orientierung in Haltungsfragen, sowie verbindliche Richtlinien für Interventionen und Maßnahmen. Die internen Leitsätze und Standards dienen als Arbeitsgrundlage für das Schutzkonzept. Die für Prävention und Intervention relevanten Aspekte finden sich in diesem Schutzkonzept wieder.[3]
[3] IMMA interne Leitsätze und Standards; IMMA e.V.
1. Personalebene
1.1. Führungskultur
IMMA e.V. zeichnet sich durch Vielfalt und hohe Fachlichkeit in ihren Einrichtungen aus. Die Führungsfrauen* von IMMA e.V. gestalten die lebendige und kreative Kultur sowie die Umsetzung der Visionen des Leitbilds. Wichtig ist ihnen ein hohes Maß an Flexibilität und Innovationskraft, um den Verein jeweils an die sich verändernden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen anzupassen. Ihr Führungsstil ist von Fürsorge, Respekt, Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit geprägt. Sie ermutigen und leben den offenen Dialog bei gleichzeitiger Klarheit der Befugnisse. Die Verbindung von Vertrauen, Ehrlichkeit und Achtsamkeit ist Grundlage der Zusammenarbeit. Fehler begreifen wir als Anlässe, um etwas zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Mitarbeiterinnen* werden ermuntert, ihre Kritik konstruktiv zu äußern. Die Führungsfrauen* kommunizieren klar und verständlich und sorgen somit für Transparenz („Führungsverständnis IMMA e.V.“, siehe Anhang). In ihrer Richtlinienkompetenz tragen Führungsfrauen* dafür Sorge, dass rechtliche Rahmenbedingungen eingehalten und in der Gestaltung von Arbeitsabläufen etc. den Leitsätzen und Standards Rechnung getragen werden.
1.2. Teamstruktur
Die Mitarbeiterinnen* von IMMA schätzen und pflegen ein offenes und kollegiales Arbeitsklima, weil es dazu beiträgt, Gelegenheitsstrukturen und Missbrauch in Einrichtungen zu verhindern. Hierfür sind ein regelmäßiger kollegialer Austausch, Freude an der Arbeit und konstruktive Kritikfähigkeit grundlegende Voraussetzungen. Sowohl die Einrichtungsleitungen, als auch die Teams achten auf Überlastung oder Überarbeitung der Kolleginnen* und unterstützen sich gegenseitig in ihrem anspruchsvollen Arbeitsalltag. In den Teamsitzungen findet ein kontinuierlicher und transparenter Austausch über die betreuten und beratenen Mädchen*/jungen Frauen* und der Gruppensituation statt. In regelmäßigen und bei Bedarf einberufenen Fallbesprechungen sowie in Supervisionen werden die Fälle reflektiert und gemeinsam Lösungsstrategien erarbeitet.
1.3. Bewerbungsverfahren und Arbeitsverträge
- Neue Mitarbeiterinnen* werden im Vorstellungsgespräch zum Themenkomplex Gewalt und Kindeswohlgefährdung, ihren Haltungen und bisherigen Erfahrungen im Umgang damit befragt („Bewertungsbogen Bewerbungsgespräch“, siehe Anhang).
- Mitarbeiterinnen*, Praktikantinnen* und Ehrenamtliche müssen vor Arbeitsantritt und dann alle fünf Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen (siehe Richtlinie Führungszeugnis).
- Bei Vertragsunterzeichnung werden der Verhaltenskodex („Richtlinien zur Prävention von Gewalt und sexueller Gewalt bei IMMA e.V.“, siehe Anhang) sowie Informationen zu Schweigepflicht und Datenschutz ausgehändigt und unterschrieben.
- Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen* erhalten vor Beginn ihres Engagements eine Einführung in pädagogische Standards („Leitfaden für Ehrenamtliche“).
1.4. Mitarbeiterinnenschutz
Der Schutz der Mitarbeiterinnen* wird durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt:
- Arbeitssicherheit durch den externen Sicherheitsingenieur und die interne Beauftragte für Arbeitssicherheit
- Gesundheitliche Vorsorgeuntersuchungen durch den betriebsärztlichen Dienst.
- Gefährdungseinschätzungen
- Belastungsampel oder andere Methoden in den Einrichtungen
- Orientierungshilfen durch diverse Richtlinien, Prozessabläufe wie z.B. die Krisenleitfäden
- Informationsketten bei akuten Bedrohungsszenarien
- Installationen von technischen Hilfsmitteln wie Türspione, Kameras, da wo notwendig
1.5. Information und Fortbildung
- Das Schutzkonzept und alle Anhänge befinden sich im Intranet
- Das Schutzkonzept und der §8a/b werden regelmäßig intern geschult
- IMMA unterstützt und fördert die konzeptionelle Weiterentwicklung und die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen* insbesondere hinsichtlich der Präventionsaufgaben und der Bearbeitung von Gewalt und Kindeswohlgefährdungen
- In den Einrichtungen finden regelmäßig Supervision und Intervision in den Teams statt
- Zur Sicherung und Weiterentwicklung der Fachlichkeit findet jährlich eine Auswertung der Personalentwicklungsmaßnahmen statt. Dabei werden nach jeweiligem Bedarf Fortbildungen und interne Schulungen einrichtungsübergreifend oder –spezifisch festgelegt.
- Sollten Mitarbeiterinnen* Interesse an einem Selbstbehauptungskurs haben, stellt IMMA diese Kurse zur Verfügung.
1.6. IMMA-Standards zur Falldokumentation
Es liegen IMMA Standards zur Falldokumentation vor, die für alle Einrichtungen individuell erstellt wurden. Die Standards bieten Orientierung und stellen eine verbindliche Struktur dar. Eine lückenlose und standardisierte Falldokumentation erleichtert das Vorgehen in Verdachtsmomenten.
2. Pädagogische Ebene
2.1. Umgang der Mitarbeiterinnen* mit den Mädchen* und Frauen*
Die Mitarbeiterinnen* sind sich des Machtgefälles zwischen Fachfrau* und Mädchen* bewusst und handeln dementsprechend. Sie nutzen ihre Rolle und Funktion nicht aus, um unangemessene Nähe oder sexuelle Kontakte zu den Mädchen herzustellen. Sie sind besonders aufmerksam gegenüber sexistischem, rassistischem, diskriminierendem und gewalttätigem verbalem oder nonverbalem Verhalten. Außerdem nutzen sie die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um dieses Verhalten zu unterbinden. Sie legen ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung und die Akzeptanz von Grenzen bei den Mädchen* sowie bei sich selbst. Jede Form persönlicher Grenzverletzungen wird bewusst wahrgenommen und offen angesprochen. Dazu gehört auch, ein „komisches Gefühl“, eine Wahrnehmung der Unstimmigkeit oder des Befremdens mit der Leiterin und/oder mit den geschäftsführenden Vorständinnen zu besprechen. Die Sexualisierung von beruflichen Kontakten durch die Mitarbeiterin* ist in jedem Fall unzulässig. Sexualisierte Kontaktangebote von Seiten der Mädchen* und Frauen* müssen thematisiert und fachlich geeignet bearbeitet werden.
Jede sexuelle Handlung mit Schutzbefohlenen ist eine strafbare Handlung mit entsprechenden disziplinarischen und strafrechtlichen Folgen. Auch bei erhärtetem Verdacht auf Gewalt jeglicher Art werden disziplinarische Schritte eingeleitet. Außerdem unterhalten die Mitarbeiterinnen* keine privaten Kontakte zu den Mädchen* und jungen Frauen* außerhalb der Einrichtung und auch nicht nach Beendigung der Betreuung bzw. Beratung (vgl. „Richtlinien zur Prävention von Gewalt und sexueller Gewalt bei IMMA e.V.“ im Anhang).
2.2. Partizipation der Klientinnen*
IMMA fördert die Partizipation der von ihr betreuten und beratenen Mädchen*, da eine von Mädchen* mitgestaltete Atmosphäre dazu beiträgt, Missbrauch in den Einrichtungen zu verhindern. Die Klientinnen* gestalten Prozesse im Rahmen der institutionellen Möglichkeiten mit, um in einem sicheren und fairen Umfeld zu sein, das den Bedürfnissen aller gerecht wird. Soziale Kompetenzen fördern wir durch geeignete Maßnahmen. Die Mädchen*/Frauen* werden in ihrem Selbstbewusstsein und in ihrer Selbstbehauptung gestärkt und soziale sowie demokratische Spielregeln werden eingeübt.
Jede Einrichtung verfügt auf Grund der unterschiedlichen Settings (Einzel – Gruppe, Komm- Gehstruktur, Beratung – stationäre Unterbringung, Altersgruppen, Formen von Beeinträchtigung) über ein Repertoire von unterschiedlichen Methoden und Maßnahmen zur Partizipation der Mädchen* und jungen Frauen*. Hierzu liegen einrichtungsspezifische Konzepte zu Partizipation und Beschwerdemanagement vor.
Relevante Bezugspersonen werden in geeigneter Form beteiligt.
2.3. Beschwerdemanagement
Die Mitarbeiterinnen* sind aufgrund des oben erwähnten Machtgefälles zwischen Betreuten und Fachfrauen* offen für Beschwerden, Kritik, Anregungen, Ideen und Wünsche der Mädchen. Es existieren eine Kultur von offener Kommunikation und ein konstruktiver Umgang mit Kritik. Die Mädchen* haben die Möglichkeit sich bei Beschwerden über Mitarbeiterinnen* direkt an die Einrichtungsleitung, eine Mitarbeiterin* ihres Vertrauens oder den geschäftsführenden Vorstand zu wenden. Sie werden über diese Möglichkeit im Rahmen der jeweiligen Hilfe – bzw. Beratungsbeginns informiert (Erstgespräch, Aufnahmeverfahren, Regelverträge, Informationsblätter). Für anonyme Beschwerden steht auch ein Kummerkasten zur Verfügung. Mitarbeiterinnen* und Klientinnen* aus stationären Einrichtungen können sich bei Beschwerden an die zuständige Behörde (Heimaufsicht, Regierung von Oberbayern) wenden.
- Sowohl in den Einzelgesprächen als auch im Rahmen der Gruppenarbeit befragen die Mitarbeiterinnen* die Mädchen* und Frauen* regelmäßig, ob es Kritik und Beschwerden gibt.
- Raum für Diskussion und Auseinandersetzung mit den Mädchen* ist gewährleistet und Beschwerden werden ernst genommen.
- Konflikte zwischen Klientinnen* werden von den Mitarbeiterinnen* aktiv aufgegriffen und je nach Setting bearbeitet.
2.4. Gewaltprävention und Umgang mit Gewalt im pädagogischen Alltag
Die Einrichtungen von IMMA e.V. betreuen primär Mädchen* und (junge) Frauen* mit Gewalterfahrungen und daraus resultierendem besonderen Schutzbedarf. Deshalb ist jegliche Form von Gewalt in den Räumen von IMMA sowie im Rahmen der Betreuungen/Beratungen untersagt und wird pädagogisch aufgegriffen und bearbeitet.
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Vorhandensein von Gelegenheitsstrukturen gehört zur Grundhaltung unseres pädagogischen Arbeitens und verstehen wir als fortlaufenden, reflektiven Prozess. Einrichtungsbezogene Gelegenheitsstrukturen sind in den jeweiligen Schutzkonzepten der Einrichtungen beschrieben.
Gewaltprävention ist ein Grundbaustein des pädagogischen Handelns. Dazu gehören auch sexualpädagogische Konzepte für jede IMMA-Einrichtung, die das jeweilige Setting, das Aufgabenspektrum und die Möglichkeiten der pädagogischen Arbeit in der Einrichtung berücksichtigen (siehe Anhang). IMMA sieht es als ihren pädagogischen Auftrag Mädchen* dabei zu unterstützen gewaltfrei zu leben und gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien zu erlernen. Für die pädagogische Arbeit mit Mädchen* und jungen Frauen*, die Gewalt ausüben, liegen gültige IMMA-interne Standards vor (siehe Anhang).
Zudem hat jede Einrichtung thematisch unterschiedliche Krisenleitfäden inklusive Meldewegen erarbeitet. Themen sind z.B. Suizidalität, akute Bedrohung durch Familienangehörige, Eskalation durch Gewaltausübung in der Einrichtung, Einweisung in die Psychiatrie u.a. Die Mitarbeiterinnen sind verpflichtet diese Leitfäden anzuwenden.
In allen Einrichtungen wird dahingehend pädagogisch gearbeitet, eine gewaltfreie Sprache zu verwenden, einen angemessenen Umgang mit Frustration und Autoaggression zu erlernen, sowie die Fähigkeit sich gegenüber anderen abzugrenzen.
Dennoch auftretende Gewalt wird sofort aufgegriffen und pädagogisch bearbeitet. Konflikte werden ad hoc im Einzelfall geklärt bzw. im Gruppensetting besprochen. Dazu gehören auch alle diskriminierenden Ausdrucksweisen.
Im Rahmen der Betreuung und Beratungen wird mit den Klientinnen* je nach Auftrag bzw. Anlass an folgenden Themen im Kontext von Gewaltprävention gearbeitet:
- adäquate Äußerung von Bedürfnissen und Wünschen
- Aufbau von Selbstwert und Selbstbehauptung
- Schulung von Wahrnehmung und Körpersprache
- Finden und Weiterentwickeln von persönlichen Ressourcen
- Angemessener Umgang mit Frustration und Autoaggression
- Früherkennung und Vermeidung von Konfliktsituationen
- Gewaltfreie Sprache
- Gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien
- Abgrenzung gegenüber grenzüberschreitendem Verhalten
- Umgang mit körperlich Überlegenen und Gruppenzwängen
- Sensibilisierung für alle Formen diskriminierenden Verhaltens und Erarbeitung von wertschätzendem Umgang
Generell werden alle Vorfälle von Grenzüberschreitungen dokumentiert, in der regelmäßigen Fallbesprechung und Supervision besprochen, analysiert und nachbearbeitet.
VI. Maßnahmen und Interventionen
1. Vorgehen bei tätlichen Übergriffen und Androhung
Jeglicher Form von Gewalt oder Missbrauch in der Einrichtung wird zeitnah und angemessen begegnet. Dies gilt auch für Verdachtsfälle. Dazu hat IMMA einen Handlungsleitfaden für das konkrete Vorgehen („Handlungsleitfaden bei Verdacht auf sexuelle Gewalt durch Mitarbeiterinnen* gegenüber Mädchen*/jungen Frauen*“) und eine Arbeitshilfe („Arbeitshilfe bei sexuellen Übergriffen unter Mädchen* und jungen Frauen* in den Einrichtungen von IMMA e.V.“) entwickelt, siehe Anhänge.
1.1 Innerinstitutionelle Gewalt
Der Handlungsleitfaden zum Vorgehen bei vermuteter oder erwiesener Gewalt in den Einrichtungen von IMMA berücksichtigt folgende Ebenen:
- Bei Betreuten untereinander
- Bei Personal gegenüber Betreuten
- Bei Betreuten gegenüber Personal
Die Verfahrensregeln zum Vorgehen bei vermuteter oder erwiesener Gewalt in den Einrichtungen von IMMA berücksichtigen folgende Aspekte:
- Wahrnehmung des Schutzauftrages für Kinder und Jugendliche
- Information / Umgang mit den Personensorgeberechtigten
- Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber allen Mitarbeiterinnen*
- Krisenmanagement für die Einrichtungen
- Aufarbeitung innerhalb der Einrichtungen
- Ggfs. Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen
1.2 Gewalt außerhalb der Einrichtung während eines stationären Aufenthalts
Erfährt ein Mädchen* außerhalb der Einrichtung aber während ihres stationären Aufenthalts Gewalt, erfolgt unverzüglich eine Meldung an die Heimaufsicht nach dem Leitfaden der Regierung von Oberbayern §45 Abs. 2 SGB VIII „besondere Vorkommnisse“. Bei Minderjährigen ist zu überprüfen, ob außerdem eine Meldung nach §8a SGB VIII notwendig ist. Darüber hinaus ist in Absprache mit der Betroffenen zu prüfen, ob eine Strafanzeige gestellt werden soll bzw. die Polizei eingeschaltet werden muss und/oder Beweise zu sichern sind (z.B. Rechtsmedizin, vertrauliche Spurensicherung in zuständigen Frauenkliniken).
2. Vorgehen bei Kindeswohlgefährdung bzw. besonderen Vorkommnissen
- Bei Kindeswohlgefährdung orientiert sich das Vorgehen am Ablaufplan der Münchner Grundvereinbarung zu §8a/b SGB VIII (siehe Anhang)
- Die Heimaufsicht wird nach dem Leitfaden der Regierung von Oberbayern §45 Abs. 2 SGB VIII „besondere Vorkommnisse“ informiert (siehe Anhang)
- Des Weiteren liegt eine IMMA-interne Dienstanweisung zur Meldung besonderer Vorkommnisse und Krisen vom 06.08.2020 vor (siehe Anhang.)
VII. Anhang
a) Externe Anweisungen
- Münchner Vereinbarung zum Kinderschutz gemäß §8a/b Abs.4 SGB VIII, Stadtjugendamt München
- Handreichung für Prävention und Intervention zum Schutz vor Gewalterfahrungen in teilstationären und stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII, Stadtjugendamt München
- Leitfaden zur Meldung besonderer Vorkommnisse entsprechend der Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 2 SGB VIII für Kinder und Jugendliche in stationären und teilstationären Einrichtungen in Oberbayern, Regierung von Oberbayern
b) Träger
- IMMA Leitbild
- IMMA Standards zu sexueller Gewalt und Gewaltprävention
- IMMA Standards zur Arbeit mit Gewalt ausübenden Mädchen und jungen Frauen
- IMMA Dienstanweisung zur Meldung besonderer Vorkommnisse und Krisen
- IMMA Dienstanweisung zur Falldokumentation
- Die Schweigepflicht ist im Arbeitsvertrag geregelt
- Handlungsleitfaden bei Verdachtsfällen von Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen
- Arbeitshilfe bei sexuellen Übergriffen unter Mädchen und jungen Frauen in den Einrichtungen von IMMA e.V.
- Interner Ablaufplan auf Basis der Münchner Vereinbarung zum
Kinderschutz gemäß § 8a Abs. 4 SGB VIII
- Bewertungsbogen des Bewerbungsgesprächs
- Richtlinien zur Prävention von Gewalt und sexueller Gewalt bei IMMA e.V.
- Führungsverständnis IMMA e.V.
- Konfliktmanagement
- Krisenleitfäden der Einrichtungen
c) Einrichtungen
- Ergänzende Materialien der Zufluchtstelle
- Ergänzende Materialien von Flexible Hilfen
- Ergänzende Materialien von AEH
- Ergänzende Materialien der Beratungsstelle
- Ergänzende Materialien von Zora
- Ergänzende Materialien von der Wüstenrose
- Ergänzende Materialien von der Wohngruppe Imara
- Ergänzende Materialien von dem Wohnprojekt Mirembe
- Ergänzende Materialien von SchrittWeise
[1] Wörterbuch der Sozialen Arbeit von (Hgb.) Dieter Kreft Seite 382, Juventa Verlag Weinheim München 2005
[2] Heynen, Susanne in Wörterbuch der Sozialen Arbeit von (Hgb.) Ehlert, Funkt, Stecklin Seite 373, Juventa Verlag Weinheim München 2011
[3] IMMA interne Leitsätze und Standards; IMMA e.V.
Schutzkonzept als PDF